Eltern müssen ihrem Kind Unterhalt zahlen, bis es
seine erste berufliche Ausbildung abgeschlossen
hat. Doch dieses Recht der Kinder geht gleichsam mit
deren Pflicht einher, den Bogen bei ihren
Bemühungen und dem zeitlichen Rahmen nicht zu
überspannen. Das Landessozialgericht
Mecklenburg-Vorpommern (LSG) musste im Folgenden
darüber bestimmen, ob ein Kind seine Eltern auf
Unterstützung verklagen muss, wenn es seinerseits
einsichtig ist, dass Vater und Mutter ihm in dieser
Angelegenheit nichts mehr schulden.
Im Zeitraum von acht Jahren hatte ein Mann ingesamt
fünf Ausbildungen bzw. Studiengänge
begonnen und wieder abgebrochen. Dessen Eltern
hatten ihm bis zum 25. Geburtstag noch das Kindergeld
weitergeleitet und danach nichts mehr an ihn
gezahlt. Für die 2012 begonnene sechste Ausbildung
beantragte der Sohn, der inzwischen verheiratet war,
nun elternunabhängige Berufsausbildungshilfe
(BAB), ein mit BAföG vergleichbares System. Er
begründete den Antrag damit, dass seine Eltern nicht
mehr unterhaltspflichtig seien, da er die jeweiligen
Ausbildungen übermäßig verzögert und damit die
Verpflichtung zu Zielstrebigkeit, Fleiß und
Sparsamkeit verletzt habe. Demnach habe er seine Eltern auch
nicht verklagen müssen, um die fehlende
Unterhaltspflicht nachzuweisen.
Das LSG sah es wie der Sohn: Bei einer solchen
Sachlage sind Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig.
Und wenn der Unterhaltsanspruch des Auszubildenden
nach objektivem Recht offensichtlich
ausgeschlossen ist, muss er auch kein
Gerichtsverfahren gegen seine Eltern führen.
Hinweis: Verzögerungen der Ausbildungszeit, die auf
ein vorübergehendes leichteres Versagen des
Kindes zurückzuführen sind, müssen Eltern hinnehmen.
Verletzt das Kind aber nachhaltig seine
Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und
zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen
Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf
verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch
Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Eine
Unterhaltspflicht kommt umso weniger in Betracht, je älter der
Auszubildende ist, je eigenständiger er seine
Lebensverhältnisse gestaltet und je weniger eine
Kommunikation über seine Ausbildungspläne
erfolgt.
Quelle: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 08.10.2021 - L 2 AL
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